Interview

 

von Monika Wegener
von Arnaldo Casa

 

 

Interview vom 2. März 2007, Volkshaus, Zürich
von Monika Wegener

 

Interview vom 2. März 2007, Volkshaus, Zürich von Monika Wegener, für branduardi-ans und europAMICI

Ciao Angelo
Zuerst einmal herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst, um einige Fragen von uns zu beantworten.

Ich danke Euch.

Wir könnten uns auch auf Deutsch unterhalten, das wäre kein Problem für dich... aber vielleicht ist es doch einfacher auf italienisch.
Ja, das ist viel besser.

Dein Publikum in der deutschsprachigen Schweiz wartet nun schon seit mehr als drei Jahren auf Dich, nun kommst Du zurück... wie fühlst Du Dich?
Beh, ich fühle mich gut. Klar, dass die Vorstellung von heute eine spezielle Sache ist, Welche leider... ehh leider, auf italienisch sein wird, nur ich werde deutsch sprechen. Und deshalb werden viele Stellen der Geschichte leider nicht verstanden werden.
Man muss bedenken, dass dies eine Laude ist und nicht ein Konzert, sondern eine heilige Vorstellung.

Ja, aber weisst Du, in Zürich leben viele italienisch sprechende Leute.
Italiener, ja ich weiss.

Deshalb wird das kein Problem sein.
Nein, ich glaube auch nicht.

Was erachtest Du als die wesentliche Aussage dieser Lauda?
Mah... die Tatsache, dass es sich um eine so antike und so minimale Präsentation handelt, lässt sie fast avantgardistisch erscheinen.
Es ist in bisschen das gleiche Paradoxon wie bei Futuro Antico, und zwar der berühmte eine Schritt zurück, um nachher zwei vorwärts zu machen.
Die wesentliche Bedeutung findet man selbstverständlich in der Figur von Franz von Assisi, die in Italien sehr bekannt ist, im Ausland viel weniger.
Bei uns hat er auch einen poetischen und künsterlischen Einfluss, eine Bedeutung, weil er der erste Poet der italienischen Sprache war. Und die anderen wissen das nicht.
Aber, der wesentliche Punkt der ganzen Geschichte ist die Begegnung mit dem Sultan, welche von aussergewöhnlicher Modernität ist und obwohl sie so wichtig war, wusste das niemand in Italien, nicht einmal ich.

Ich auch nicht.
Und an jenem Abend schlossen sie Frieden.
Da war ein geheimes Nachtessen mit dem Sultan Melek-El-Kamel, Franziskus und Federico II, an welchem der Frieden besiegelt wurde.

Das Konzert von Deiner neuen CD "Futuro Antico IV" vor fast drei Wochen war wirkich einmalig.
Die Tatsache, dass es in Venedig stattfand, dem Ursprungsort dieser Musik und genau zur Zeit des Karnevals, gab ihm einen ganz speziellen Aspekt.
Wird es weitere Konzerte zu dieser wunderschönen Musik geben?

Ich hoffe das wirklich... und nicht nur das, wir denken auch daran, eine Tournée zu machen

Über diese CD?
Nein, nicht nur über diese, über alle vier "Futuro Antico", jedoch mit diesem typischen Renaissance-Orchester.

Weisst Du, dass Ennio Morricone am 10. Septemer in Venedig ein Konzert gibt?
Ja, das wusste ich, ja, ja.

Wirst Du auch dort sein?
Nein. Ich wurde nicht eingeladen, weil er die Stücke, in welchen ich spiele, nicht präsentieren wird, weil das die schwierigsten und kompliziertesten für das Publikum sind. Das glaube ich wenigstens, ich weiss es noch nicht.
Ich spreche sehr oft mit Ennio Morricone, das letzte Mal vor einigen Tagen, als ihm der Oscar überreicht wurde. Niemand hat mir bis jetzt etwas gesagt.
Es kann sein, dass sie mich anrufen. Ob sie mich rufen, hängt ganz vom Repertoire ab, das er präsentieren wird.

Wir werden sehen.
Ja, wir werden sehen. Ich hoffe es.

Nach jenem Konzert in Venedig hast Du ein Konzert in Paris diesen Herbst erwähnt. Was wird das sein?
Ja, es ist die Lauda, auf französisch.

Was uns die Leute häufig fragen ist: Denkst Du daran, eine neue "Pop"-CD zu machen?
Ja. Ja, ich habe so viel Musik. Jetzt war ich so viel unterwegs, weil der Erfolg der Lauda unvorhergesehen war. Und unvorhersehbar. Deshalb bin ich im Mixer gelandet.
Ja, also, Musik habe ich so viel. Jetzt geht es darum, einen Moment Zeit zu haben, und jetzt... werde ich sie ab morgen haben, um anzufangen, die Ideen zusammen zu stellen... In meinem Studio habe ich solch einen Stapel von Musik... besser gesagt, ich habe all die Aufzeichnungen gemacht und nun muss ich herausfinden, was von diesem Material sich eignet und was nicht, woran ich noch arbeiten muss, was ich noch machen muss, aber musikalische Ideen, welche ich notiert habe, habe ich in der Tat sehr viele, hast Du gesehen, solch einen Stapel. Ja, hoffen wir. Hoffen wir, denn ich erinnere mich an nichts, ich muss zuerst wieder lesen, was mir alles in den Sinn gekommen war. Aber es ist vorgesehen
.

Gibt es ein berufliches Ziel, dass Du noch nicht erreicht hast und das Dein Traum wäre?
Sehr viele! Ein Symphonieorchester dirigieren (in "Tristan und Isolde").
Auch einen Oscar zu erhalten.
Ich weiss nicht, dann sehen, wie meine Tochter Maddalena, die eine gute Violoncellistin ist, berühmt wird. Dann wünsche ich mir, auf gute Art älter zu werden.
Es sind viele Dinge. Wenn ich keine Hoffnungen und keine Ziele mehr haben werde, dann hört alles auf.

Erinnerst Du Dich noch an jenes Konzert von Bob Dylan im Madison Square Garden in New York, vom Oktober 1992? Wie kam es, dass Du es für das italienische Fernsehen kommentiert hast?
Ah… ah, ja, jetzt erinnere ich mich. Weil mein Freund Enzo Guaitamacchi, welcher Journalist ist, mich gebeten hat, jenes Konzert zu kommentieren.
Er ist ein sehr guter Freund von mir, ein sehr guter Journalist. Aber jetzt erinnere ich mich nicht mehr genau, es war schwierig, während 3 Stunden zu kommentieren, sicher habe ich auch viel Quatsch gesagt. Aber ich erinnere mich nicht mehr genau, es ist schon so lange her.

Gibt es musikalische Parallelen zwischen Dylan und Branduardi?
Ohh… nein. Er ist einer von meinen Idolen. Meine wahren Idole sind zwei: Donovan und Cat Stevens, der sich heute Yusuf nennt.
Und ich rate Euch, seine neue CD zu höhren, weil sie meiner Meinung nach wunderschön ist. Da schliesse ich die Augen und es ist, als wäre es vor 30 Jahren, sie ist sehr modern. Sie heisst "An other cup".

Kommt es vor, dass Du Dir manchmal die Meinungen und Widmungen Deiner Fans auf Deiner offiziellen Homepage anschaust?
Ich kann das nur machen, wenn ich in Bologna bin, weil ich keinen Computer habe.

Aber es würde ich lohnen, sich das einmal anzuschauen, es hat dort wirklich sehr schöne Sachen.
Nein, nein, nein. Da sind Davide, der Schlagzeuger, und Morena, welche sie mir ausdrucken und schicken.
Das kommt hin und wieder vor und deshalb kenne ich diese Dinge, nur leider kenne ich mich mit dem Computer nicht so gut aus.
Aber ich weiss, dass da viele schöne Beiträge sind.

Zum Schluss überbringe ich Dir noch die Grüsse der branduardi-ans, von Michelangelo aus Sorrento und von Sandra von europamici und von allen, die Dich gern haben.
Ich habe Euch auch gerne!

Jetzt erwarte ich mit Freude "Die Laude des Heiligen Franziskus" und wünsche Dir alles Gute.
Vielen Dank, dass Du uns diese Momente Deiner Zeit geschenkt hast... e buon concerto!

Danke... und jetzt lerne ich noch etwas Deutsch: „Ich bin der Troubadour…“

Monika Wegener, für Branduardi-ans und europAMICI

 

 

 

Die Laude des Heiligen Franziskus

Von Arnaldo Casali


Eine aussergewöhnliche Begegnung ist jene von Angelo Branduardi und Franz von Assisi: der „mittelalterlichste“ Cantautore italienischer Lieder und der „modernste“ Heilige des Mittelalters. Eine für bestimmte Verse unvermeidliche, für andere eher unwahrscheinliche Begegnung, die aber sicherlich interessante Früchte auf der künstlerischen Ebene ergeben hat: Vom Album „L’infinitamente piccolo“ (das unendlich Kleine), das Branduardi anlässlich des 2000jährigen Jubiläums dem umbrischen Heiligen gewidmet hat , über das Musical „La Lauda di Francesco“ (die Laude des Heiligen Franziskus), welche der lombardische Minnesänger aus dem gleichen Album schuf und nun seit einem Jahr in ganz Europa präsentiert.

Und es ist wirklich ein Muster  der „Lauda“, was Angelo Branduardi am Samstag, 9. Oktober, in Terni präsentiert hat, als Gast im Finale des Festivals „Inedito per Maria“. Eine durch Zeit und Platz sehr limitierte Kostprobe (nur 3 Tänzer, Gesang im Playback), welche die Atmosphäre von drei Meisterwerken des Albums aufschimmern liess: “Il sultano di Babilonia e la prostituta” (aufgenommen mit Battiato und dem Piccola Orchestra la Viola, welches vor drei Jahren “Inedito per Maria” gewonnen hat), “Il lupo di Gubbio” und “Cantico delle Creature” (Sonnengesang), der nicht fehlen durfte

“Klären wir gleich am Anfang eine Sache. Die Idee für dieses Album war nicht meine. Vor sechs Jahren kamen zwei franziskanische Brüder zu mir und baten mich, ein Album zu schreiben, basierend auf den franziskanischen Quellenschriften. Eigentlich hatte ich anfänglich nicht zugesagt. Vor allem, weil mir die Idee eines derartigen Projektes nicht gefiel. Die Kirche hat während 500 Jahren die erhabenste Musik, die je geschrieben wurde, zum Ausdruck gebracht, und heute ist alles reduziert auf eine „Beat-Messe“, welche mir, ehrlich gesagt  – nicht wirklich gefällt. Zum Glück ist jetzt Ratzinger da, der Bach liebt.“

Wie konnten die Franziskaner Sie überzeugen, zuzusagen?
 
“Ich habe sie gefragt: warum kommt Ihr mit einer solchen Sache zu mir, der ich ein grosser Sünder bin (wie alle, andererseits)? Und sie antworteten: Schau, für grosse Werke wählt Gott immer die schlechtesten Menschen aus! So haben sie mich überzeugt”.
 
Eigentlich hatten Sie Franziskus bereits 1971 ein Lied gewidmet. Dieses Lied blieb jedoch unveröffentlicht, bis es in diesem Jahr in der “Platinum Collection” publiziert wurde.
 
“Meine erste Annäherung an Franziskus war zufällig, als ich ein Jugendlicher war, während ich um die andere Annäherung gebeten wurde. Aber das ist eine 30 Jahre lange Geschichte und es würde ein Leben dauern, sie zu erzählen”.
 
Dieses Lied enthält eine sehr bedeutungsvolle Passage, welche Franziskus als “Heiligen und glücklichen Mann” beschreibt. Die Heiligkeit war in der katholischen Welt wohl schwerlich assoziiert mit dem Glück und der Fülle des Lebens.
 
“Ja, vor allem in jener Zeit waren die Heiligen nicht sehr fröhliche Figuren. Die Fröhlichkeit hingegen ist die wahre Grundlage der Franziskaner. Da genügt es, an die Predigt der perfekten Fröhlichkeit (predica della Perfetta Letizia) zu denken”.
 
Warum haben Sie sich entschieden, das Album “L’infinitamente piccolo” (das unendlich Kleine) zu nennen?
 
“L’Infinitamente piccolo ist eine Eingebung, welche viele Franziskus zuschreiben – auch ich (als ich die ganzen franziskanischen Quellenschriften gelesen hatte). Wenn Sie ein Stück Papier nehmen und es in der Mitte teilen und dann nochmals in der Mitte und dann nochmals; in der Theorie werden Sie nie aufhören, immer kleinere Stücke zu erhalten. Das ist eine revolutionäre Theorie, welche jede mögliche Beteiligung oder andere Überzeugung verhindert. Das Unendliche ist nicht mehr ausserhalb von uns, sondern in uns drin. Es explodiert nicht, es implodiert. Die Welt, der Kosmos, die Ewigkeit sind nicht ausserhalb von uns, sondern in uns. Dies ist eine totale Revolution, vor 800 Jahren ausgedacht, welche dann, im zwanzigsten Jahrhundert erstaunlicherweise zur Basis der Quantenphysik wurde.“          


 
Quelle: www.diocesi.terni.it

Die Offizielle Website der Laude